Wie lernen Kinder sicher Fahrrad zu fahren?
Kinder lieben Fahrradfahren – aber sicher!
Kinder und ihr Fahrrad, das ist oft der Beginn einer langen Liebe. Mit meinem siebenjährigen Sohn fahr ich inzwischen fast täglich mit dem Rad zur ca. 3 km entfernten Schule. Er liebt sein Rad und fährt gerne. Als wir heute über‘ s Radfahren redeten, sagte ich zu ihm: „Das Fahrrad ist schon ist schon ’ne tolle Erfindung, nicht wahr?“ „Ja,“ rief mein Sohn begeistert, „und so gemütlich, nicht so ,bäh, schwitzig wie im Auto.“
Und das bei 7 Grad und Morgennebel. Selbst da zieht mein Sohn das Rad dem Auto vor, kann er doch dort selber fahren, unabhängig sein und seinen Bewegungsdrang ausleben. Radfahren für Kinder ist einfach super.
Ein Meilenstein in der Entwicklung
Die meisten Eltern können es kaum erwarten, daß ihr Kind endlich Fahrrad fahren kann. Ein Entwicklungsmeilenstein, der freudig verkündet wird. Doch schon wenige Jahre später sieht man nur noch wenige Kinder radeln. Die Eltern befürchten einen Unfall, der Verkehr wirkt bedrohlich. So gibt es leider immer weniger Kinder, die ihren Schulweg mit dem Rad zurücklegen, während die Zahl der Kinder steigt, die fast überall hin von ihren Eltern mit dem Auto gebracht werden, bis zur Pubertät und darüber hinaus. Sind die Kinder jung, können sie es kaum erwarten, mit dem Rad die Welt zu erobern. Viele Menschen erinnern sich noch als Erwachsene, wie sie radfahren gelernt haben. Es ist eine prägende Erinnerung. Nimmt man ihnen diese Gelegenheit aus Furcht, es könnte ihnen etwas passieren, nimmt man ihnen auch wichtige Erfahrungen, die zum Kindsein gehören und die sie nie wieder nachholen können.
Eltern können viel dazu beitragen, daß Kinder diese Erfahrungen mit der nötigen Sicherheit machen. Der allerwichtigste Schutz für ein Kind ist eben nicht einfach nur ein Helm auf dem Kopf, sondern sein eigenes Verhalten im Strassenverkehr. Wenn es gelernt hat, umsichtig zu fahren, ist es bestens gerüstet.
Wir haben vier Kinder, die alle gerne mit dem Rad unterwegs sind, die Jüngste noch als Mitfahrerin. So können wir auf einige Erfahrung zurückgreifen, sowohl im Stadtverkehr als auch auf Fahrradtouren. Unsere zwei älteren erwachsenen Kinder fahren alltäglich und gerne und zum Glück bisher ohne großen Unfall.
Hier sind die wichtigsten Tipps zum ungetrübten Fahrspaß:
- Fahre selber viel Fahrrad. Kinder von fahrradfahrenden Eltern fahren meistens auch viel Fahrrad. Nutze es mit Deinem Kind als normales Verkehrsmittel. Unsere große Tochter sagte als junge Erwachsene zu uns: „Ich bin so froh, daß ihr mir vermittelt habt, das Fahrrad selbstverständlich im Alltag zu benutzen.“
- Nehme Dein Kind auf dem Kindersitz mit. Besonders wenn es auf einem Kindersitz direkt hinter dem Lenker sitzt, bekommt es Dein Fahrverhalten unmittelbar mit und kann so von deinem Vorbild lernen. Ist es schon 2 oder 3 Jahre, kannst Du ihm auch immer mal wieder Dein Verhalten in verschiedenen Situationen erklären, z.B. an Ausfahrten und Kreuzungen. Kinder lernen durch Wiederholung und situationsbedingt.
- Fahre defensiv. Bevor ich über eine Kreuzung fahre, schaue ich immer nach links zu den abbiegenden Autos und vergewissere mich, daß sie mich sehen. Nicht einfach losfahren, erstmal gucken. Das ist besonders beim Fahren mit Kindern wichtig. Fahrt nebeneinander über Kreuzungen. Du als größere Person wirst in der Regel noch gut gesehen. Fährt Dein Kind hinter Dir, wird es vielleicht nicht mehr von abbiegenden Kraftfahrzeugen rechtzeitig gesehen.
- Ausfahrten sind eine besondere Gefahrenquelle für Kinder, da sie über den Bürgersteig, bzw. Radweg führen und von Kindern nicht als Ort, wo ein Auto erscheinen kann, wahrgenommen werden. Vor Ausfahrten langsamer fahren, um einen Einblick erhalten zu können. Wenn alles frei ist, weiterfahren. Das erkläre ich auch immer wieder meinem Kind.
- Bringe Deinem Kind bei, sich nicht allein auf eine grüne Ampel zu verlassen, sondern sich immer zu vergewissern, daß die Autos auch wirklich zum Stehen gekommen sind. Mehrmals wöchentlich sehen wir, wie ein Auto über eine für uns grüne Ampel fährt, die wir gerade überqueren wollen. Ohne Rückversicherung sähe es da manchmal schlecht aus für uns.
- Habe immer ein für die Größe Deines Kindes passendes Fahrrad. Ein Fahrrad ist keine Hose, in die Dein Kind hineinwachsen kann. Es sollte immer passen. Ein Tiefeinsteigerrad ist für jüngere Kinder sicherer, weil sie leichter und schneller absteigen können. Dein Kind sollte auf dem Sattel sitzend zum Stehen kommen können. Muß es zum Bremsen abspringen, ist das Rad eindeutig zu hoch. Auch zu kleine Fahrräder oder niedrig eingestellte Sättel sind ungünstig, weil Dein Kind mit einem zu niedrigem Fahrrad hin und her wackelt beim Fahren.
Die Entwicklung des Gefahrenbewußtseins bei Kindern
Gehe mit deinem radfahrenden Kind erst in den Verkehr, wozu auch Fahrradwege und Bürgersteige gehören, wenn es in der Lage ist, bestimmte Situationen zu begreifen und zu überschauen. Ich habe mal in Berlin ein windeltragendes vielleicht gerade dreijähriges Kind davon abgehalten, auf eine belebte Kreuzung zu fahren. Die Mutter sah ich nicht. Nach ein paar Minuten, in denen ich mit ihrem Zwerg plauderte, kam sie atemlos angerannt. Sie hatte sich kurz mit einer Freundin unterhalten, da war ihr Kind unbemerkt schon weggefahren und wollte nach Hause – allein. Dumm nur, daß auf dem Weg dahin eine Strasse zu überqueren war. Dreijährige sind noch sehr impulsiv. Nicht umsonst werden Fahrräder für Klein- und Vorschulkinder Spielräder genannt. Dreijährige können zwar manchmal Fahrrad fahren, aber ein Fahrrad sicher durch den Großstadtbürgersteig zulenken, klappt noch nicht. Dazu fehlt ihm noch der Überblick, den es dafür braucht.
Zwischen einem dreijährigen und einem fünfjährigen Kind liegen Welten, was die Wahrnehmung betrifft, selbst wenn das Kind noch so pfiffig und geschickt ist. Außerdem gibt es noch eine große Bandbreite bei den Entwicklungsschritten eines Kindes. Lass Dich nicht verunsichern, wenn die Kinder aus der Kita oder Schule anscheinend viel mehr können. Jedes Kind hat sein eigenes Tempo, vertraue ihm. Erst mit einem Alter von ca. 5 kann es eine Gefahr als solche wahrnehmen, ist aber kaum in der Lage, die Gefahrenabwehr rechtzeitig umzusetzen. Da braucht es noch die Eltern an seiner Seite, die das Kind rechtzeitig darauf hinweisen. Zum Beispiel auf eine abschüssige Straße, auf der das Kind abbremsen muß. Kinder bremsen im Alter von 5 erst, wenn sie bereits zu schnell fahren.
Außerdem gibt es noch eine große Bandbreite bei den Entwicklungsschritten eines Kindes. Lass Dich nicht verunsichern, wenn die Kinder aus der Kinder aus der Kita oder Schule anscheinend viel mehr können. Jedes Kind hat sein eigenes Tempo, vertraue ihm. Über die Entwicklung des Gefahrenbewußtseins bei Kindern findest Du hier noch mehr: https://www.uni-due.de/~qpd402/alt/texte.ml/Goslar.html
Freiräume zum Ausprobieren suchen
Dort, wo keine Gefahren durch Autos oder andere Verkehrsteilnehmer drohen, kann es sich mit seinem Rad ausprobieren. Ich bin mit meinen kleinen Radlern gerne im Britzer Garten in Berlin gewesen, denn da konnten sie mal schnell fahren ausprobieren, ohne daß andere Radler oder Hunde ihren Weg kreuzten. Schau, wo es solche Orte in deiner Nähe gibt, denn da kann sein Kind seine Fahrfertigkeiten gefahrlos erweitern. Kinder werden so schnell groß und die Zeit, in der ihr gemeinsam durch Strassen radeln könnt, kommt früh genug. Und dann ist es auch viel entspannter für Euch beide, weil Dein Kind die Verkehrsregeln leichter umsetzen kann.
Mal die Perspektive wechseln
Ich habe mit meinem Kind auch immer mal einen Perspektivwechsel gemacht, also gezeigt, was ein Autofahrer eigentlich von seinem Auto aus sehen kann. Ein Kind, das hinter einem parkendem Auto auf einem Kinderrad fährt, gehört definitiv nicht dazu.
Bis zu einem bestimmten Alter denken Kinder jedoch: „Wenn ich das Auto sehe, dann sieht es mich auch.“ Das dem nicht so ist, begreifen sie am besten durch den Perspektivwechsel. Wenn sie älter werden, können sie sich leichter in die Lage des anderen hinein versetzen. Erst ab ca. 9-10 Jahren können sie sicher vorrausschauend fahren, was für das Fahren ohne Begleitung notwendig ist. Vorher sind sie noch leichter ablenkbar. ( Interessanter Artikel zur Entwicklungspädagogik in Bezug auf Verkehr: http://www.kindergartenpaedagogik.de/768.html )
Kommunikation statt Kommandos
Für Kinder kann es sehr frustrierend sein, wenn sie immer nur hören, was sie nicht sollen oder falsch machen. „Nicht so schnell“ „ Noch nicht rüber fahren“ „Du musst früher bremsen“ “ Absteigen“ „Aufsteigen“. Sehr viele Kommandos können die Freude am gemeinsamen Fahren beim Kind schnell vermiesen.
Mein Kind lernt sehr viel besser und offener, indem ich mein eigenes Fahrverhalten kommentiere und beschreibe, warum ich also z.B. einen großen Bogen um alte Menschen mache. Sie hören und sehen machmal nicht mehr so gut und erschrecken sich, wenn an ihnen dicht ein Fahrrad vorbei fährt, erkläre ich ihm.
Mein Kind ahmt mein Verhalten nach und wird dadurch ein achtsamer Radfahrer. Diesen Prozeß beobachte ich gerade bei meinem dritten Kind, das sich gerade zu einem sicheren Radfahrer entwickelt.
Diese Achtsamkeitwird es mitnehmen, wenn es irgendwann alleine unterwegs ist.
Fahre viel zusammen mit Deinem Kind Fahrrad, in der Stadt, auf dem Land und im Urlaub. Je mehr Gelegenheit es zum Fahrradfahren bekommt, desto sicherer wird es fahren. Tätigkeiten, die wir immer wieder tun, automatisieren sich, wie z.B. der Schulterblick. In den ersten Jahren durch Dich begleitet, wird es so auch sicher und unfallfrei später alleine fahren. Und das Allerwichtigste zum Schluß: Fahrradfahren macht wahnsinnig viel Spaß und bietet in jedem Alter schöne gemeinsame Erlebnisse für die ganze Familie.
Dagmar Gericke