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Schlagwort: Kinder

Wie lernen Kinder sicher Fahrrad zu fahren?

Wie lernen Kinder sicher Fahrrad zu fahren?

Kinder lieben Fahrradfahren – aber sicher!

Kinder und ihr Fahrrad, das ist oft der Beginn einer langen Liebe. Mit meinem siebenjährigen Sohn fahr ich inzwischen fast täglich mit dem Rad zur ca. 3 km entfernten Schule. Er liebt sein Rad und fährt gerne. Als wir heute über‘ s Radfahren redeten, sagte ich zu ihm: „Das Fahrrad ist schon ist schon ’ne tolle Erfindung, nicht wahr?“ „Ja,“ rief mein Sohn begeistert, „und so gemütlich, nicht so ,bäh, schwitzig wie im Auto.“
Und das bei 7 Grad und Morgennebel. Selbst da zieht mein Sohn das Rad dem Auto vor, kann er doch dort selber fahren, unabhängig sein und seinen Bewegungsdrang ausleben. Radfahren für Kinder ist einfach super.

Ein Meilenstein in der Entwicklung

Die meisten Eltern können es kaum erwarten, daß ihr Kind endlich Fahrrad fahren kann. Ein Entwicklungsmeilenstein, der freudig verkündet wird. Doch schon wenige Jahre später sieht man nur noch wenige Kinder radeln. Die Eltern befürchten einen Unfall, der Verkehr wirkt bedrohlich. So gibt es leider immer weniger Kinder, die ihren Schulweg mit dem Rad zurücklegen, während die Zahl der Kinder steigt, die fast überall hin von ihren Eltern mit dem Auto gebracht werden, bis zur Pubertät und darüber hinaus. Sind die Kinder jung, können sie es kaum erwarten, mit dem Rad die Welt zu erobern. Viele Menschen erinnern sich noch als Erwachsene, wie sie radfahren gelernt haben. Es ist eine prägende Erinnerung.  Nimmt man ihnen diese Gelegenheit aus Furcht, es könnte ihnen etwas passieren, nimmt man ihnen auch wichtige Erfahrungen, die zum Kindsein gehören und die sie nie wieder nachholen können.

Eltern können viel dazu beitragen, daß Kinder diese Erfahrungen mit der nötigen Sicherheit machen. Der allerwichtigste Schutz für ein Kind ist eben nicht einfach nur ein Helm auf dem Kopf, sondern sein eigenes Verhalten im Strassenverkehr. Wenn es gelernt hat, umsichtig zu fahren, ist es bestens gerüstet.

Wir haben vier Kinder, die alle gerne mit dem Rad unterwegs sind, die Jüngste noch als Mitfahrerin. So können wir auf einige Erfahrung zurückgreifen, sowohl im Stadtverkehr als auch auf Fahrradtouren. Unsere zwei älteren erwachsenen Kinder fahren alltäglich und gerne und zum Glück bisher ohne großen Unfall.

Hier sind die wichtigsten Tipps zum ungetrübten Fahrspaß:

  • Fahre selber viel Fahrrad. Kinder von fahrradfahrenden Eltern fahren meistens auch viel Fahrrad. Nutze es mit Deinem Kind als normales Verkehrsmittel. Unsere große Tochter sagte als junge Erwachsene zu uns: „Ich bin so froh, daß ihr mir vermittelt habt, das Fahrrad selbstverständlich im Alltag zu benutzen.“
  • Nehme Dein Kind auf dem Kindersitz mit. Besonders wenn es auf einem Kindersitz direkt hinter dem Lenker sitzt, bekommt es Dein Fahrverhalten unmittelbar mit und kann so von deinem Vorbild lernen. Ist es schon 2 oder 3 Jahre, kannst Du ihm auch immer mal wieder Dein Verhalten in verschiedenen Situationen erklären, z.B. an Ausfahrten und Kreuzungen. Kinder lernen durch Wiederholung und situationsbedingt.
  • Fahre defensiv. Bevor ich über eine Kreuzung fahre, schaue ich immer nach links zu den abbiegenden Autos und vergewissere mich, daß sie mich sehen. Nicht einfach losfahren, erstmal gucken. Das ist besonders beim Fahren mit Kindern wichtig. Fahrt nebeneinander über Kreuzungen. Du als größere Person wirst in der Regel noch gut gesehen. Fährt Dein Kind hinter Dir, wird es vielleicht nicht mehr von abbiegenden Kraftfahrzeugen rechtzeitig gesehen.
  • Ausfahrten sind eine besondere Gefahrenquelle für Kinder, da sie über den Bürgersteig, bzw. Radweg führen und von Kindern nicht als Ort, wo ein Auto erscheinen kann, wahrgenommen werden. Vor Ausfahrten langsamer fahren, um einen Einblick erhalten zu können. Wenn alles frei ist, weiterfahren. Das erkläre ich auch immer wieder meinem Kind.
  • Bringe Deinem Kind bei, sich nicht allein auf eine grüne Ampel zu verlassen, sondern sich immer zu vergewissern, daß die Autos auch wirklich zum Stehen gekommen sind. Mehrmals wöchentlich sehen wir, wie ein Auto über eine für uns grüne Ampel fährt, die wir gerade überqueren wollen. Ohne Rückversicherung sähe es da manchmal schlecht aus für uns.
  • Habe immer ein für die Größe Deines Kindes passendes Fahrrad. Ein Fahrrad ist keine Hose, in die Dein Kind hineinwachsen kann. Es sollte immer passen. Ein Tiefeinsteigerrad ist für jüngere Kinder sicherer, weil sie leichter und schneller absteigen können. Dein Kind sollte auf dem Sattel sitzend zum Stehen kommen können. Muß es zum Bremsen abspringen, ist das Rad eindeutig zu hoch. Auch zu kleine Fahrräder oder niedrig eingestellte Sättel sind ungünstig, weil Dein Kind mit einem zu niedrigem Fahrrad hin und her wackelt beim Fahren.

Die Entwicklung des Gefahrenbewußtseins bei Kindern

Gehe mit deinem radfahrenden Kind erst in den Verkehr, wozu auch Fahrradwege und Bürgersteige gehören, wenn es in der Lage ist, bestimmte Situationen zu begreifen und zu überschauen. Ich habe mal in Berlin ein windeltragendes vielleicht gerade dreijähriges Kind davon abgehalten, auf eine belebte Kreuzung zu fahren. Die Mutter sah ich nicht. Nach ein paar Minuten, in denen ich mit ihrem Zwerg plauderte, kam sie atemlos angerannt.  Sie hatte sich kurz mit einer Freundin unterhalten, da war ihr Kind unbemerkt schon weggefahren und wollte nach Hause – allein. Dumm nur, daß auf dem Weg dahin eine Strasse zu überqueren war. Dreijährige sind noch sehr impulsiv. Nicht umsonst werden Fahrräder für Klein- und Vorschulkinder Spielräder genannt. Dreijährige können zwar manchmal Fahrrad fahren, aber ein Fahrrad sicher durch den Großstadtbürgersteig zulenken, klappt noch nicht. Dazu fehlt ihm noch der Überblick, den es dafür braucht.

Zwischen einem dreijährigen und einem fünfjährigen Kind liegen Welten, was die Wahrnehmung betrifft, selbst wenn das Kind noch so pfiffig und geschickt ist. Außerdem gibt es noch eine große Bandbreite bei den Entwicklungsschritten eines Kindes. Lass Dich nicht verunsichern, wenn die Kinder aus der Kita oder Schule anscheinend viel mehr können. Jedes Kind hat sein eigenes Tempo, vertraue ihm.  Erst mit einem Alter von ca. 5 kann es eine Gefahr als solche wahrnehmen, ist aber kaum in der Lage, die Gefahrenabwehr rechtzeitig umzusetzen. Da braucht es noch die Eltern an seiner Seite, die das Kind rechtzeitig darauf hinweisen. Zum Beispiel auf eine abschüssige Straße, auf der das Kind abbremsen muß. Kinder bremsen im Alter von 5 erst, wenn sie bereits zu schnell fahren.

Außerdem gibt es noch eine große Bandbreite bei den Entwicklungsschritten eines Kindes. Lass Dich nicht verunsichern, wenn die Kinder aus der Kinder aus der Kita oder Schule anscheinend viel mehr können. Jedes Kind hat sein eigenes Tempo, vertraue ihm. Über die Entwicklung des Gefahrenbewußtseins bei Kindern findest Du hier noch mehr: https://www.uni-due.de/~qpd402/alt/texte.ml/Goslar.html

 

Freiräume zum Ausprobieren suchen

Dort, wo keine Gefahren durch Autos oder andere Verkehrsteilnehmer drohen, kann es sich mit seinem Rad ausprobieren. Ich bin mit meinen kleinen Radlern gerne im Britzer Garten in Berlin gewesen, denn da konnten sie mal schnell fahren ausprobieren, ohne daß andere Radler oder Hunde ihren Weg kreuzten. Schau, wo es solche Orte in deiner Nähe gibt, denn da kann sein Kind seine Fahrfertigkeiten gefahrlos erweitern. Kinder werden so schnell groß und die Zeit, in der ihr gemeinsam durch Strassen radeln könnt, kommt früh genug. Und dann ist es auch viel entspannter für Euch beide, weil Dein Kind die Verkehrsregeln leichter umsetzen kann.

Mal die Perspektive wechseln

Ich habe mit meinem Kind auch immer mal einen Perspektivwechsel gemacht, also gezeigt, was ein Autofahrer eigentlich von seinem Auto aus sehen kann. Ein Kind, das hinter einem parkendem Auto auf einem Kinderrad fährt, gehört definitiv nicht dazu.
Bis zu einem bestimmten Alter denken Kinder jedoch: „Wenn ich das Auto sehe, dann sieht es mich auch.“ Das dem nicht so ist, begreifen sie am besten durch den Perspektivwechsel. Wenn sie älter werden, können sie sich leichter in die Lage des anderen hinein versetzen. Erst ab ca. 9-10 Jahren können sie sicher vorrausschauend fahren, was für das Fahren ohne Begleitung notwendig ist. Vorher sind sie noch leichter ablenkbar. ( Interessanter Artikel zur Entwicklungspädagogik in Bezug auf Verkehr: http://www.kindergartenpaedagogik.de/768.html )

Kommunikation statt Kommandos

Für Kinder kann es sehr frustrierend sein, wenn sie immer nur hören, was sie nicht sollen oder falsch machen. „Nicht so schnell“ „ Noch nicht rüber fahren“ „Du musst früher bremsen“ “ Absteigen“ „Aufsteigen“. Sehr viele Kommandos können die Freude am gemeinsamen Fahren beim Kind schnell vermiesen.
Mein Kind lernt sehr viel besser und offener, indem ich mein eigenes Fahrverhalten kommentiere und beschreibe, warum ich also z.B. einen großen Bogen um alte Menschen mache. Sie hören und sehen machmal nicht mehr so gut und erschrecken sich, wenn an ihnen dicht ein Fahrrad vorbei fährt, erkläre ich ihm.
Mein Kind ahmt mein Verhalten nach und wird dadurch ein achtsamer Radfahrer. Diesen Prozeß beobachte ich gerade bei meinem dritten Kind, das sich gerade zu einem sicheren Radfahrer entwickelt.
Diese Achtsamkeitwird es mitnehmen, wenn es irgendwann alleine unterwegs ist.

Fahre viel zusammen mit Deinem Kind Fahrrad, in der Stadt, auf dem Land und im Urlaub. Je mehr Gelegenheit es zum Fahrradfahren bekommt, desto sicherer wird es fahren. Tätigkeiten, die wir immer wieder tun, automatisieren sich, wie z.B. der Schulterblick. In den ersten Jahren durch Dich begleitet, wird es so auch sicher und unfallfrei später alleine fahren. Und das Allerwichtigste zum Schluß: Fahrradfahren macht wahnsinnig viel Spaß und bietet in jedem Alter schöne gemeinsame Erlebnisse für die ganze Familie.

Dagmar Gericke

Auf dem R1 von Schlitz nach Fulda

Auf dem R1 von Schlitz nach Fulda

Radfahren ist Mama-Zeit – unterwegs auf dem Fernradweg R1

Endlich mal wieder was mit Mama alleine unternehmen, das wünschte sich mein siebenjähriger Sohn Samuel. Ich schlug ihm eine Fahrradtour von unserem Ferienort Schlitz in die Barockstadt Fulda vor. Das romantische Burgenstädtchen Schlitz ist eine Ausgangslage für viele Radtouren in der Region, denn hier in der Nähe verlaufen verschiedene regionale und nationale Radfernwege. Besonders für Familien mit Kindern eignen sich die Wege, denn obgleich die Gegend durch Hügel und sanfte Berge geprägt ist, verlaufen viele Radwege an Flüssen oder entlang der ehemaligen Bahntrasse.

Diesmal würden wir einen Teil des Fernradwegs R1 entlangfahren. Die Strecke nach Fulda ist bis auf wenige Steigungen sehr eben und somit für meinen Zweitjüngsten bestens geeignet.

Start der Radtour
Start der Radtour

Los geht’s mit vollen Taschen

Die Taschen vollgepackt mit Leckereien und Pannenwerkzeug, starteten wir nach einem späten Frühstück. Bereits 300 m von unserem Haus entfernt begann der erste Radweg entlang der Schlitz. Der Fluss Schlitz, nach dem das Städtchen Schlitz benannt wurde, ist der kürzeste Fluss Deutschlands. Nach gut einem Kilometer geht der Radweg in den R1 über. Wir fahren weiter auf dem R1 am Fuße des Tempelbergs. Dort muss mein Kleiner die erste Steigung bewältigen, was er mit seinem Kinderrad und starkem Willen gut schafft. Danach können wir es laufen lassen bis Pfordt. In Pfordt gibt es eine Bett und Bike Unterkunft für müde Radler. Die brauchen wir aber noch nicht. Im schattigen Gartencafe der Pension sitzen einige E-Radler und trinken, während ihr Bike lädt.

Die Strecke am Pfordter See
Die Strecke am Pfordter See
Im Pfordter See kann man auch baden
Im Pfordter See kann man auch baden
Der Baumstamm ist wie gemacht für eine Pause
Der Baumstamm ist wie gemacht für eine Pause

Wir aber fuhren weiter durch den Ort und ein kurze Strecke auf der Landstraße bis zum Pfordter See. Hier ging der Radweg etwas holperig weiter. Nach dem Pfordter See bekam Samuel Hunger und wir legten auf eine Pause ein. Ein alter Baumstamm war unser Tisch und wir erfrischten uns an einer saftigen Honigmelone.

 

 

Der alte Wachturm der Lüdermunder Warte
Der alte Wachturm der Lüdermunder Warte

Vom Wachturm bis zur Braut

Gestärkt fuhr Samuel weiter. Bald verließen wir das Schlitzer Land. An der Grenze zum Landkreis Fulda steht noch ein alter Wachturm der Lüdermunder Warte. Mein Angebot, ihn sich genauer anzuschauen, lehnte Samuel ab. Er wollte es jetzt ohne weitere Pause bis Fulda schaffen. Wir ließen den Wachturm hinter uns und fuhren durch Lüdermund. Dort wartete gerade eine Hochzeitsgesellschaft auf das Brautpaar vor der Dorfkirche. Das Brautpaar wollten wir auch sehen. Also stellten wir uns zu den Gästen, bis Braut und Bräutigam endlich kamen. Samuel bewunderte die schöne Braut und ihr wundervolles Kleid. Hochzeiten haben für Kinder etwas Magisches. Beim Weiterfahren erzählte ich ihm von meiner Hochzeit mit seinem Papa und er sagte, er will unbedingt auch heiraten.

 

Da freute sich das ganze Land - Hochzeit
Da freute sich das ganze Land – Hochzeit
Da fahren Kanus!
Da fahren Kanus!

Kurz vor Fulda ist es sehr eben
Kurz vor Fulda ist es sehr eben
Entlang der Fulda
Entlang der Fulda

 

Kurz hinter Lüdermund fuhren wir über eine hölzerne Brücke. Samuel hielt an und schaute auf die Fulda, die unter uns durch floss. Wir entdeckten ein Kanu, das im flachen Wasser steckengeblieben war. Die Kanufahrer fluchten und fragten uns, welches Dorf dies sei. „Lüdermund,“ riefen wir ihnen zu, da löste sich ihr Kanu und sie paddelten mit 2 anderen Booten weiter. Samuel wollte auch unbedingt mal Kanu mit mir fahren, am besten einen Sechs-Sitzer.

Zu Fuß durch Deutschland

Jetzt ging es ein kleines Stück bergauf durch einen Wald. Samuel schob sein Rad diesmal den Hügel hinauf. Nach dem Wald fuhren wir neben den Auen im Fuldatal. Die letzten Kilometer bis Fulda waren sehr eben, was gut war, denn Samuel war schon etwas müde. Kurz vor Fulda fuhren wir an einer blonden jungen Frau mit einem schweren Rucksack und Wanderstöcken vorbei. „Das sieht so aus, als ob Du schon lange unterwegs bist, “ sprach ich sie an. Sie nickte: „Ich wandere durch Deutschland.“

„Super. Und wo bist Du gestartet?“ fragte ich sie. „ In Sylt und ich laufe bis ins Allgäu.“ „Eine gute Reise noch,“ wünschte ich ihr und fuhr mit Samuel weiter bis zu einer Tankstelle. Dort holten wir uns ein Eis und suchten uns am Radweg eine Bank, auf der wir Pause machen konnten. Da kam die Wanderin wieder an uns vorbei. Wir erkannten uns und sie blieb bei uns stehen.

Ich packte gerade unser Essen aus und fragte sie: „Möchtest Du auch ein Brötchen?“ „Da sag ich nicht nein“, lächelte sie. Sie setzte sich neben uns und ich schmierte ihr ein Roggenbrötchen mit vegetarischer Pastete, belegt mit Gartentomaten. Ich reichte es ihr und sie aß mit sichtbaren Appetit. Unser restliches Essen teilte ich auch und auch Samuel bot ihr von seinen Brezeln an. Wir redeten beim Essen über die Schönheit des Wanderns und wie gut es tut, nur mit sich zu sein. Dann brach sie auf, um zur Jugendherberge in Fulda zu kommen. Ich fuhr mit Samuel zum nächsten Spielplatz, wo er mit neuer Energie auf dem Klettergerüst turnte.

Endlich angekommen
Angekommen
Klettern geht immer.
Klettern geht immer.

Zurück mit Tempo

Für heute ist er genug gefahren. Wir blieben noch eine Weile in Fulda und er traf seinen Papa für den Rückweg. Ich fuhr alleine denselben Weg zurück nach Schlitz in einen wunderbaren Sonnenuntergang hinein. Ich brauchte nur ein Viertel der Zeit, die ich für den Hinweg brauchte. Aber mit Kindern fahren heißt auch immer, sich Zeit für all das zu nehmen, was rechts und links des Weges liegt. Dadurch entdecke ich auch immer wieder Neues und hatte dabei einen schönen Tag mit meinen Sohn.

Dagmar Gericke

 

Mein Rückweg alleine
Mein Rückweg alleine

 

 

 

 

 

 

 

 

Karte zur Tour:

Fulda-Radweg

Publicpress.de

ISBN 978-3-89920-303-5

Auf dem Bahnradweg zur Burgruine:

Auf dem Bahnradweg zur Burgruine:

Mit dem Rad zu den Rittern

 Von Schlitz nach Wartenberg

Auf was freuen sich Kinder in jedem Alter: natürlich auf eine alte Burgruine! Also war unser Ziel heute die Burgruine Wartenberg, die wir bequem auf den Bahnradweg Hessen erreichen konnten. Der Bahnradweg Hessen führt auf ehemaligen Bahntrassen von Hanau bis Bad Hersfeld über insgesamt 316 Km. Die Strecke ist eben, meist fernab von Autostrassen und in landschaftlich reizvollen Gegenden. Die Strecken sind daher sehr gut für Kinder geeignet, weil es kaum Steigungen gibt. Diesmal waren wir zu fünft, mein Bruder und sein elfjähriger Sohn, und meine beiden jüngeren Kinder Miri und Samuel. Wir starteten in der romantischen Burgenstadt Schlitz im Schlosspark. Am Freibad vorbei ging es nach kurzer Strecke auf den Radweg 7A, der über eine lange Holzbrücke nach Bernshausen führt. Die Holzbrücke liebten die Kinder, zu schön ist das Geräusch, wenn man über die Bohlen fährt. Im nächsten Dorf legten wir schon die erste Pause ein, denn wir kamen an einem Spielplatz vorbei, der natürlich nicht stehengelassen werden durfte.

EIn Spielplatz am Radweg erfreut die Kinder
EIn Spielplatz am Radweg erfreut die Kinder
Die Beine-Baumel-Bank
Die Beine-Baumel-Bank
Der Bahnradweg ührt durch wunderschöne Täler
Der Bahnradweg ührt durch wunderschöne Täler

 

 

Und in Ützhausen wartete die Bank zum Beine baumeln. Das musste getestet werden.

Auch das nächste Teilstück war kurz, denn am Waldrand lockte ein Abhang, der erklettert werden musste, die Kinder. Einmal rauf und auf dem Hosenboden wieder runter, dann ging es weiter.

In der Kurstadt Bad Salzschlirf mussten wir ein kurzes Stück auf die Autostrasse. Das war selbst mit den jüngeren Kindern kein Problem, da es nur 300m auf einer extrem gering befahrenen Strasse war.

In der Ferne lockt die Burg…

Hinter Bad Salzschlirf ging es bergauf und mein Sechsjähriger stöhnte. Aus Berlin ist er keine Anhöhen gewohnt. Als es aber bergab ging, war alles wieder gut. Bald schon sahen wir aus der Ferne die Burgruine Wartenberg und die Kinder jubelten. Über einen Wiesenweg kamen wir zu einer Treppe, die hoch zur Burg führte. Mein Bruder und ich nahmen lieber den Umweg um den Berg, denn auf der anderen Seite war ein befestigter Weg, der zur Burg hochführte. Die Jungs aber wollten mit ihren Rädern die Treppe hochsteigen. Im Vertrauen, dass sie es schon schaffen würden, ließen wir sie dort. Und tatsächlich, als wir endlich oben waren, lachten uns die Jungs schon entgegen.

Die Jungs nahmen den kürzeren Weg hinauf.
Die Jungs nahmen den kürzeren Weg hinauf.

Die Burg selber ist ein riesiger Abenteuerspielplatz für die Kinder. Sie sprangen über Gruben, balancierten auf den Mauern und schauten vom Turm herab in Tal. Gerade kämpften auch ein paar „echte“ Ritter auf der Wiese vor dem Burgfried, begleitet von ein paar Burgfräuleins. Für die Turniersaison im Herbst muß man sich ja fit halten.

Die Burgruine Wartenberg ist ein wunderbares Ziel für Familien und super mit dem Fahrrad zu erreichen. Im Burghof ist eine Wiese, die sich sehr gut für ein Picknick eignet und es gibt saubere Toiletten und Wasser vor der Burg. Dank eines aktiven Fördervereins ist die gesamte Burg in einem Topzustand. Doch trotzdem ist es ein Ort der Ruhe. Auf den Burgmauern sitzend, lassen wir Erwachsenen den Blick in Tal schweifen. Wir verbrachten einige entspannte Stunden auf der Burg, bevor wir uns am Abend wieder auf den Rückweg machten.

Einmal alle Mauern ablaufen...
Einmal alle Mauern ablaufen…

Die besondere Bahnschranke…

Wenn man etwas Zeit hat, sollte man sich eine besondere Atraktion nicht entgehen lassen. Auf dem Weg von der Ruine nach Wartenberg sind Bahngleise zu überqueren, die mit einer Schranke gesichert sind. Vor der Schranke ist eine Fernsprechanlage installiert, über die man den Bahnwärter im nächsten Ort anrufen kann. Gibt er die Gleise frei, hebt sich die Schranke und man kann durch. Danach muß man sich noch mal beim Bahnwärter melden, dass alle durch sind. Die Kinder finden das total abgefahren.

Es war wieder ein schöner Fahrradausflug und machte mir Lust auf eine der nächsten reizvollen Wege, die Fahrt mit dem Rad durch den Milseburgtunnel. Mal sehen, ob wir es in diesem Sommer noch schaffen.

Radtouren machen einfach Spaß
Radtouren machen einfach Spaß

http://www.gemeinde-wartenberg.de/vereine/foerdergemeinschaft/Index.htm

Buchtipp: Bahnradweg Hessen,Verlag Esterbauer

Infos über Bahnradwege

 

Was ist eigentlich so geil am Radfahren?

Was ist eigentlich so geil am Radfahren?

Erinnert Ihr Euch noch an eure ersten Wege mit dem Rad? Wie habt Ihr Radfahren gelernt? Und was bedeutet Radfahren für Euch? Marko erklärt hier, warum Radfahren Freiheit in sein Leben gebracht hat und was diese Freiheit bedroht. Hier ist sein Beitrag:

Was ist eigentlich so geil am Radfahren?

Zuerst einmal das Gefühl….

Ich weiß noch, wie ich als Kind Radfahren lernte. Ständig vergaß ich zu treten, wurde zu langsam, schlingerte und drohte zur Seite zu kippen. Mein Vater lief hinter mir her und schrie unablässig: Treten! Treten! Treten! Dabei stieß er mir mit der Faust in den Rücken. Ich war in Tränen aufgelöst. Es war ein Alptraum.

Doch als ich es konnte, war es unglaublich. Wie leicht das ging! Und das Gefühl war so was von geil! Ich fühlte mich wie der Größte. Plötzlich boten sich mir völlig neue Möglichkeiten, mein Erfahrungshorizont weitete sich immens. Ich konnte einfach mal runter zum Kastanienbaum fahren, Kastanien runter werfen, und danach ganz schnell wieder nach Hause. Oder meine Freunde im Nachbardorf besuchen, ganz unabhängig von meinen Eltern. Und das mit geringem Kraftaufwand. Es war einfach irre, nach mühsamer Bergauffahrt die Berge hinunter zu rauschen, so schnell, dass es mir die Tränen in die Augen trieb und die Haare nur so flogen. Doch schon bald war es ganz normal.

Das Rad, ein Alltagsgegenstand.

Heute ist das Radfahren für uns selbstverständlich geworden. Wir erledigen so unsere Einkäufe, packen zwei Kindersitze drauf, um unsere Kinder zum Kinderladen zu bringen, schnappen uns ein Rennrad, um schnell mal ein paar Runden zu drehen, nehmen das Mountainbike und den Hund, um zusammen eine Prise Waldluft zu schnappen.

Nichts Besonderes dabei.

Das Besondere am Radfahren – die geniale Leichtigkeit.

Dabei ist das Geniale, dass es so einfach ist. Diese Leichtigkeit, die uns gar nicht mehr bewusst wird, ist das Besondere am Radfahren. Wir nehmen das Rad, das an der Hauswand lehnt, schwingen ein Bein über den Sattel und los geht’s. Ist das nicht irre?

Mir wurde das erst wieder bewusst, als ich eine Kundin aus den Staaten im Laden hatte, die ein Rad mieten wollte. Misstrauisch fragte sie: „Und das stimmt, dass man hier keinen Helm tragen muss?“  „Ja“, sagte ich. „Das Tragen eines Helmes ist jedem selbst überlassen.“  „Wie wunderbar“, strahlte die Frau mittleren Alters. Sie blühte völlig auf. „Das ist ja ein herrliches Gefühl, einfach losfahren zu können! Bei uns würde das nicht gehen.“

Diese Verwandlung zu sehen, wie aus der skeptischen Frau eine Leidenschaft und eine Freude hervor brach, die man erst gar nicht vermutet hätte, wegen so einer kleinen Sache, die man sonst vielleicht eher als Lappalie abgetan hätte, öffnete mir die Augen. Hier in Berlin ohne Helm Rad fahren zu können, ohne fürchten zu müssen, jeden Augenblick von der Polizei rausgewunken und zur Kasse gebeten zu werden, das war für sie ein Höhepunkt ihres Berlin- Besuchs. Mit welch kleinen Dingen man doch Menschen erfreuen kann. In diesem Moment wurde mir bewusst, was es bedeutet, wenn Menschen im Zusammenhang mit dem Radfahren von Freiheit sprechen.

Was hat Radfahren mit Freiheit zu tun?

Wenn man, um Rad zu fahren, erst einen Helm suchen muss, diesen aufsetzen, zurechtzupfen und den Verschluss schließen muss, das alles vielleicht bei 28 Grad und Sonnenschein, dann noch Helme für die Kinder, dazu vielleicht noch eine grellgelbe sogenannte Sicherheits- Weste mit silbernen Reflektorstreifen und der Aufschrift auf dem Rücken: Autofahrer, 1,5 m Seitenabstand halten, hervorkramen muss, dann geht ein Stück Leichtigkeit verloren.

Noch dazu muss man am Rad auch tagsüber Frontreflektor, Heckreflektor, Seitenreflektoren, Pedalreflektoren, Lampe vorn, Rücklichtlampe, Dynamomaschine und wer weiß, in der Zukunft vielleicht noch Rückenpanzer, Ellenbogen- und Knieschützer, Front- und Seitenairbags mitführen. Irgendwann vielleicht das Schweizer Nummernschild mit Versicherungspolice, die ja nur ca. umgerechnet 9 Euro im Jahr kostet, wie die Schweizer begeistert kundtun, auch wenn sie das einzige Land der Welt sind, die das den Radlern aufbürden.

Und schlussendlich muss man noch 2 schwere Schlösser ans Rad montieren, um nicht plötzlich ohne Rad dazustehen. Und so geht irgendwann die Leichtigkeit verloren und immer weniger Leute fahren mit Freude Rad. So wie jetzt schon kaum noch Kinder ihre Alltagswege mit dem Rad zurücklegen. Aber Ordnung muss sein. Wo kämen wir denn hin, Ordnung und Sicherheit, die höchsten Tugenden in unserm Land.

Wann kommt die Helmpflicht für Fussgänger?

Da frage ich mich natürlich, warum tragen denn die Autofahrer keinen Helm, wo doch die häufigsten Verletzungen von Autofahrern Kopfverletzungen sind? Und wann kommt eigentlich die Helmpflicht für Fußgänger, die  Treppen und Leitern hinunter stürzen könnten. Vielleicht sollte man Gebrechlichen und Alten am Besten das Gehen verbieten, um sie vor sich selbst in Sicherheit zu bringen? Und Kindern, die laufen lernen, und sich ständig den Kopf am Tisch stoßen, einen Vollvisierhelm verpassen.

Anstatt die Ursachen für Unfälle anzugehen, wird hauptsächlich an den Symptomen, an den Folgen herumgedoktert, und möglichen Gefährdungspotentialen durch eine Verbieten- Kultur begegnet. Demjenigen, der von sich aus keinen bedroht, wird die Pflicht auferlegt, sich immer mehr zu schützen. Aber nicht als freie Entscheidung.

Das Traurige an der Geschichte ist, dass dadurch die Freiheit der Menschen immer weiter eingeschränkt wird unter der Devise, aus Sicherheitsgründen geschlossen. Der schleichende Tod der Freiheit.

Deshalb brauchen wir Alternativen, Menschen, die sich nicht einschüchtern lassen, Menschen, die für die Freiheit eintreten. Denn zuerst stirbt die Freiheit, dann der Mensch. Marko Teubert

Das Leben ist bunt
Das Leben ist bunt

 

 

 

 

 

 

 

…Alle, die von Freiheit träumen,
Sollen’s Feiern nicht versäumen,
sollen tanzen auch auf Gräbern.
Freiheit, Freiheit,
Ist das einzige, was zählt.
Freiheit, Freiheit,
Ist das einzige, was zählt.

Marius Müller-Westerhagen

GoKarts geklaut – doch was geschah dann?

GoKarts geklaut – doch was geschah dann?

GoKart geklaut – was nun?

Ich betreibe mit meiner Familie in Berlin auf dem Tempelhofer Feld eine Vermietstation von Fahrrädern, Pedal- GoKarts und Tretmobilen. Da in den Hangars des ehemaligen Flughafens mehrere Tausend Flüchtlinge untergebracht sind, kommen diese bei gutem Wetter auch aufs Feld, um sich zu erholen.

Im Mai 2016 hatten wir auf unserer Vermietstation ein Problem mit Flüchtlingskindern. Sie kamen mehrmals in Gruppen, setzten sich auf unabgeschlossene GoKarts und fuhren einfach davon. Wenn wir sie verfolgten, rannten sie weg. Meine Mitarbeiter fühlten sich hilflos. Die zwischen 7 und 12 Jahre alten Kinder und Jugendliche sprachen kaum deutsch, ihre Eltern waren nirgends zu sehen und es waren manchmal über 20 Kinder.

Die Problematik erinnerte mich an die Zeit, als ich damals in Berlin- Kreuzberg vor meinem Fahrradladen Probleme mit türkisch- arabischen Straßenkindern bekam, die kein Geld hatten, aber unbedingt mit meinen GoKarts fahren wollten. Sie sprangen wiederholt auf die abgeschlossenen Karts und beschädigten sie dadurch. Ich löste das Problem damals, indem ich sie Müll auflesen lies, wofür sie dann GoKart fahren durften. Leider beendete ein Bußgeldbescheid des Ordnungsamtes dieses Projekt, da ich ohne Sondererlaubnis keine GoKarts auf den Bürgersteig stellen durfte.

Die Flüchtlingskinder auf dem Tempelhofer Feld

An einem Sonntag war ich auf der Station und erwischte einen Trupp von Kindern, wie sie gerade versuchten, ein GoKart zu entwenden. Ich rannte zum Kart und bekam den größten der Jungen zu fassen. Um ihn vor weiteren Diebstählen abzuhalten, sagte ich:

„Ich muss dich jetzt mitnehmen und die Polizei benachrichtigen, weil du ein GoKart geklaut hast!“ In Wirklichkeit dachte ich: „Oh nein, keine Lust auf Polizei. Das bringt nur Ärger und Scherereien und hält mich von der Arbeit ab. Was soll ich nur mit dem Jungen machen?!“ Der Junge brach in Tränen aus. „Nein, bitte, keine Polizei. Ich nicht geklaut, das waren die anderen“, stammelte er. Umstehende fragten, was er denn gemacht habe, ich solle ihn gehen lassen. „Das ist jetzt das dritte Mal in kurzer Zeit, dass wir beklaut worden sind“, rechtfertigte ich mich. Es war mir sehr unangenehm, ein weinendes Kind am Arm zu halten. Wie er so vor mir auf die Knie sank und bittete und bettelte, tat er mir einfach leid. Da der Junge sich sträubte, mitzukommen, und ich keine Gewalt anwenden wollte, ich mir aber auch nicht ganz klar war, wie viel seines Verhaltens nun echt und wie viel gespielt war, kam mir ein anderer Gedanke. Vielleicht gab es ja eine bessere Lösung. Ich wollte ihn nicht erniedrigen und auch nicht, dass er sich vor mir erniedrigte. Also sagte ich: „Okay, du willst nicht mitkommen. Dann bring mich zu deinen Eltern. Ich will mit ihnen reden.“ Da hörte der Junge auf zu weinen und willigte ein. Er führte mich Richtung Flugzeughangars.

Ein Lösungsansatz

Draußen vor dem Zaun auf einer Grünfläche saßen eine Gruppe von Frauen auf ausgebreiteten Decken, einige Männer standen herum. Die Kids, die zuvor weg gerannt waren, kamen mir von dort entgegen. Ich ging ernsten Blickes auf die Erwachsenen zu, in der Absicht, mich zu beschweren, aber als ich fast bei Ihnen war, und von ihrer Seite keinerlei Feindlichkeit, sondern eher nur eine abwartende Haltung zu spüren war, änderte sich meine Haltung sofort und ich begrüßte sie freundlich: „Hallo, willkommen in Deutschland. Schön, dass ihr da seid!“, sagte ich und schüttelte allen reihum freundlich die Hand. Sie verstanden die Geste, sprachen jedoch kein deutsch, da sie aus Syrien waren. Anfangs eher distanziert begann sich nun die Stimmung ein wenig aufzulockern und einige Syrer lächelten. Ein ca. 10 Jahre alter, erstaunlich gut deutsch sprechender Junge kam zu mir und übersetzte meine Worte. Ich schilderte das Problem. Die Erwachsenen schienen nichts von der Diebstahlproblematik zu wissen, hörten ruhig zu und schienen erstaunt. Ich erklärte, dass ich verstünde, dass die Kinder gerne mit den GoKarts fahren wollten, aber kein Geld hätten. Deshalb bot ich an, sie könnten in einer halben Stunde zur Mietstation kommen, ein wenig Müll von der Wiese auflesen und dann GoKart fahren. Dann verabschiedete ich mich.

Kinder haben ihre eigenen Vorstellungen

Zurück auf der Mietstation gab es viel zu tun. Eine Schlange von Leuten hatte sich gebildet und wollte Fahrzeuge mieten und meine Tochter brauchte meine Unterstützung. Da hörte ich ein Kleinkind schreien. Ich sah eine Mutter, die mit ihrem Mann einen Dreier gemietet hatte und sich mit ihrem ca. 1,5 Jahre altem Kind auf den hinteren Sitz setzte. Das Kind wehrte sich jedoch heftig und schrie. Als das Geschrei anhielt, wollte ich zu der Frau gehen. Meine Tochter hielt mich zurück. „Die kommen schon alleine klar“, sagte sie. Doch ich ging und kniete mich zu dem Kind. Es strampelte, schrie und bog sich mit aller Gewalt. Die Mutter lächelte gequält, der Vater stand daneben. So konnten sie unmöglich losfahren. Ich sagte: „Ich habe das Gefühl, euer Kind will runter.“ Die Mutter nickte und ließ das Kind auf den Boden. Der Junge verstummte sofort, rannte zum vorderen Sitz des Fahrzeugs, und versuchte, darauf zu klettern. „Du willst alleine auf dem Sitz sein, was?“, sprach ich den Jungen an. Er drehte sich halb zu mir um und schaute mich mit großen Augen an. „Ich glaube, er will ein bisschen selbst probieren“, sprach ich zu dem Vater, einem Südafrikaner. „Gebt ihm ein bisschen Zeit, dann fällt es ihm leichter, mit zu fahren.“ Der Vater, ein Mann mit dem Körper eines Bodybuilders, nickte, und ich ging wieder zurück in den Vermietanhänger.

Nach einiger Zeit tauchten plötzlich 7 syrische Kinder auf. Einige waren aus der Gruppe von vorher. Sie setzten sich voller Erwartung auf die GoKarts. Ich verließ sofort den Mietanhänger und rief sie zu mir. „Papa, ich brauch dringend deine Hilfe“, rief mich meine 21jährige Tochter zurück. Eine Traube von Kunden standen vor dem Anhänger. Die Hälfte wollte Fahrzeuge mieten, die andere abgeben. Hier tanzte der Bär, und ich hatte nichts besseres zu tun, als mit kleinen Kindern zu diskutieren.

„Ich kann gerade nicht, es ist wirklich wichtig“, beschwor ich meine Tochter. „Ich komm so schnell wie möglich zurück.“ Dann widmete ich mich den Flüchtlingskindern. Ich winkte sie zur Seite, verteilte ein paar Plastiksäcke und erklärte ihnen ihre Aufgabe. Doch musste ich ihnen erst einmal genau zeigen, was Müll ist. Endlich hatten sie verstanden.

Es klappt…

Zehn Minuten später war alles um die Mietstation herum gesäubert und sie standen mit einem halbvollen Müllsack vor mir. Ich holte einen Zweier- Kart, doch sofort sprangen die Jungs heran, und schlugen sich um das Fahrzeug. Mir blieb nichts anderes übrig, als sie zu trennen. Ich sagte: „Wenn ihr euch prügelt, kann ich niemanden fahren lassen. Überlegt euch, wer mit wem fahren will, und dann kommt zu mir.“ Schnell fanden sich Pärchen und ich schrieb Zahlen auf die Hände der Kinder. Die ersten Beiden bekamen eine 1, die nächsten eine 2 usw.. Die Kinder, die gerade nicht fuhren, ließ ich an einem Container warten. Wer nicht warten wollte, konnte auch nicht fahren. Sie erhielten noch eine strenge Einweisung, um Unfälle zu vermeiden und dann ging es los. Glücklich traten die Kids in die Pedale, ihre strahlenden Gesichter entschädigten für all die Mühe und den Zeitaufwand. Zwar wurde ich auch von meiner Tochter gebraucht, aber sie konnte auch eine Weile alleine klar kommen. Würde ich mich jetzt jedoch nicht den Kindern zuwenden, würde alles nur noch schlimmer. Also verzichtete ich eine Zeit lang auf mein Geschäft, um die Kinder dort abzuholen, wo sie waren. Wenn mir das gelang, dann ließ sich vielleicht etwas bewegen.

Während die Kinder also jauchzend vor Freude vor unserer Station hin und her fuhren und ich versuchte, sie nicht aus dem Blick zu lassen, kam plötzlich der Südafrikaner von vorhin zu mir und drückte mir einen 10€- Schein in die Hand. Ich war perplex. „Aber, danke, lassen Sie mal sein, wofür denn?“, fragte ich den Mann überrascht. „Nein nein, schon gut“, sagte er freundlich. „Ich hab mitbekommen, was Sie mit den Kindern gemacht haben. Fand ich echt gut!“ Dann ging er zu seiner Frau. „Hast einen schönen Mann“, rief ich ihr noch zu, während sie mit ihrem zufriedenen Kind auf dem Arm davon ging. „Ja, aber man muss gut auf ihn aufpassen“, scherzte sie zurück.

Geduld zahlt sich aus.

Voller Freude über dieses schöne Erlebnis erzählte ich meiner Tochter, was passiert war. „Aber wieso hat er dir 10 Euro gegeben?“, fragte sie. Ihr fehlten die Worte. Auch meine Frau staunte am Abend nicht schlecht. Eine schöne Geschichte, sagte sie. Wie aber ging es weiter? Ließen sich die Erfahrungen, die wir 15 Jahre zuvor mit Problemkindern in Berlin- Kreuzberg gemacht hatten, auch auf diese Gruppe von Kindern übertragen?

Tatsächlich. Es sollte gelingen. Eine Woche später kam die Gruppe wieder. Zwar fuhr der große Junge, den ich gefasst hatte, hinter dem Rücken meiner Tochter mit einem Tretmobil davon, doch gelang es mit Hilfe der anderen Kinder und einem Erwachsenen, das Fahrzeug schnell wieder zurück zu holen. Die Kinder hatten eine Bindung zu mir aufgebaut. Das machte mich froh.

Und meine Tochter machte es mir nach. Als sie mir erzählte, dass sie neulich ebenfalls die Kids hatte fahren lassen und dass es anstrengend gewesen sei, die Kinder dazu zu bringen, in einer Reihe anzustehen, überraschte und freute es mich sehr. Ein bisschen Stolz schwang schon mit, als sie sagte: „Und du hättest mal die Parkbesucher sehen sollen, wie die gestaunt haben!“ Viele Parkbesucher hätten ihr gegenüber ihre Anerkennung geäußert. Seitdem ist uns kein Fahrzeug mehr abhanden gekommen. Der Einsatz wurde belohnt. Ein schönes Gefühl.  Marko Teubert

Einmal quer durchs Schlitzerland mit dem Rad

Einmal quer durchs Schlitzerland mit dem Rad

Perfektes Wetter für eine Radtour

Optimales Fahrradwetter, rief die Wettervorhersage, nicht zu heiß, nicht zu kalt, trocken, wenig Wind. Also checkte ich Kinderanhänger und Fahrrad durch, packte ein Pannenset und Essen und startete mit meiner fast vierjährigen Tochter Miri im schönen Burgenstädtchen Schlitz. Ich bin gerade mit ihr alleine hier, weil sie ihre Mama mal ganz für sich wollte. Wir lassen uns es beide hier gut gehen und heute stand eine Radtour an.

Hutzdorf bei Schlitz
Hutzdorf bei Schlitz

Was hat  kürzeste Fluss Deutschlands mit der größten Weihnachtskerze der Welt gemein?

Schlitz ist ein hübsches kleines Fachwerkstädtchen mit historischem Altstadtkern und 4 Burgen. Die Schlitzer haben ein eigenes Geldstück kreiert, den Burgentaler, mit dem man hier einkaufen kann und statt Halloween wird hier das Runkelrübenfest gefeiert. Vor einigen Jahren hat sich hier die Landesmusikakademie Hessen angesiedelt und so kommen viele Besucher in die kleine Stadt, die mit den umliegenden Dörfern gerade mal 10 000 Einwohner hat. Trotz der geringen Größe kann Schlitz mit 2 Rekorden aufwarten, dem kürzesten Fluss Deutschlands, die Schlitz und der größten Weihnachtskerze der Welt. Dafür wird dem Burgturm im Winter ein rotes Kleid übergeworfen und oben auf dem verkleideten Turm glüht eine Lichterkette.

 

 

Was guckst Du so - na klar haben Rinder Hörner!
Was guckst Du so – na klar haben Rinder Hörner! Rinder am R1.

Ich startete also am kürzesten Fluss Deutschlands und fuhr ein Stück den Radfernweg R1 entlang, bis ich Richtung Fraurombach abbog. Dort gibt es in einer Kirche prächtige Wandmalereien zu bewundern. Hinter Fraurombach fuhren wir unter der großen ICE-Brücke durch, unter der jedes laut gesprochene Wort als Echo zurückhallte . Weiter ging es quer durch den Wald nach Michelsrombach. Im Stadtkern von Michelsrombach steht ein alter großer Lindenbaum, der von einer niedrigen Mauer umgeben ist. Dort wurde im Mittelalter Gericht gehalten.

Die Gerichtslinde in Michelsrombach
Die Gerichtslinde in Michelsrombach

Hinter Michelsrombach habe ich die Radweghinweisschilder leider verloren und bin etwas nach Gefühl gefahren. Leider waren auf dieser Strecke auch gefühlt 100 Bremsen hinter mir her. Ich kam bergauf nur langsam voran und die Bremsen nutzten dies für eine Blutmalzeit. Miri ließen die Plagegeister zum Glück in Ruhe.

Ich freue mich über den schönen ebenen Weg nach dem Berg.
Ich freue mich über den schönen ebenen Weg nach dem Berg.

Alle Wege führen nach Pfordt, nur wie?

Da ich nun wieder auf die andere Seite der ICE-Strecke gelangen musste, fuhr ich ein Stück Autostrasse entlang. Die Strasse war zum Glück sehr gering befahren. Allerdings ging es gefühlt 3 Kilometer nur bergauf. Mit dem Anhänger kam ich ziemlich ins schwitzen. Nach einer Weile kam ein geteerter Waldweg, der nach Künzell zurück zum R1 führte. Ich bog dort ein und genoss es, auf angenehmer Strecke durch den Wald zu fahren. Nach einem Kilometer endete der Teerweg und es ging links auf einem Schotterweg bergab. Die ganze Strecke war doch länger als ich geplant hatte. An einer Wegkreuzung schaute ich auf der Karte, ob ich hier Richtung Pfordter Seen abkürzen könnte. Da kamen zwei Mountainbiker des Weges. „ Komme ich auf dem Weg auch nach Pfordt?“ fragte ich sie. „Ja“, antwortete der ältere von beiden,“ aber ich würde es mir an deiner Stelle dreimal überlegen, ob Du da lang fährst.“ „ Wieso?“ hakte ich nach. „ Schau uns doch mal an,“ sagte der Mountainbiker. Da sah ich, dass sie über und über mit Schlamm bespritzt waren. „Nee, da nehme ich doch lieber den längeren Weg,“ murmelte ich, während die Mountainbiker auf den nächsten Schlammweg einbogen.

An der Fulda gibt es noch eine Furt.
An der Fulda gibt es noch eine Furt.

Zu kühl zum Baden und so liegt der Pfordter See heute ruhig da.
Zu kühl zum Baden und so liegt der Pfordter See heute ruhig da.

Kuchenschmaus im Dorfhaus

Jetzt ging es fast nur bergab, bis ich in Kämmerzell am Friedhof herauskam. Ab dort kannte ich mich aus, denn Kämmerzell lag am R1 auf der Strecke Fulda-Schlitz. Die Strecke bin ich schon häufig gefahren und ich wusste, mein nächstes Ziel, Pfordt, war nicht mehr weit. Miri absolvierte gerade einen Mittagsschlaf im Anhänger. Ich genoss es, durch das liebliche Fuldatal zu fahren, bis zum Pfordter See. Kurz danach kamen wir in Pfordt, wo heute beim Feuerwehrhaus das jährliche Dorffest gefeiert wurde. Miri wachte auf und wir nutzten das Dorffest für eine Pause. Die dorfübliche Verköstigung in Form von Currywurst und Steak ließ ich links liegen, aber vom Kuchenbuffet im Gemeindehaus nahmen wir ein paar leckere Obstkuchen. Wir hatten inzwischen ja ziemlichen Hunger.

 

Miri schmeckts!
Miri schmeckts!
Traktor zum Spielen auf dem Dorffest.
Traktor zum Spielen auf dem Dorffest.
Hier können die Schlitzer Gemüse direkt beim Bauern kaufen.
Hier können die Schlitzer Gemüse direkt beim Bauern kaufen.

Zurück nach Schlitz

Miri tobte dort noch auf dem Spielplatz, während und ich zufrieden in der Sonne saß und mich ausruhte. Bis Schlitz waren noch 5 km zu fahren, das geht schnell. Am späten Nachmittag, kam ich müde, aber glücklich wieder mit Miri in Schlitz an. Hier in der Gegend gibt es wirklich wunderbare Fahrradwege zu erfahren. Auch wenn ich die Gegend um Schlitz schon etwas kenne, so bleibe ich oft auf den bekannten Wegen. Es lohnt sich doch immer mal, neue Wege zu nehmen, denn ich habe heute viele unbekannte Ecken hier entdeckt.

Buchtip: Radfernwege in Deutschland

 

 

Wieder zurück in Schlitz
Wieder zurück in Schlitz

 

Wie wir endlich in Bangkok Fahrrad fahren konnten….

Wie wir endlich in Bangkok Fahrrad fahren konnten….

Großstadtmoloch Bangkok mit Poolposition…..

Dagmar:

Im vergangenen Winter verbrachten wir 2 Monate als sechsköpfige Familie in Thailand. Während der  letzten Woche unserer Thailandreise waren wir in Bangkok. Wir wohnten ca 15 km vom Zentrum entfernt in einer Jugendherberge, die einen coolen Pool mit Palmemgarten auf dem Dach hatte. Dort konnten wir uns von den Ausflügen in die City erholen. Für die Kinder war es sowieso der liebste Aufenthaltsort in Bangkok. In unserer Umgebung entdeckten wir sogar einige Fahrradläden. Vielleicht würden wir ja dort Fahrräder mieten können. Also machten wir uns auf den Weg….

Unterwegs in der City of Life…

City of Life steht auf der betongrauen Hochbahntrasse, die sich quer durch die Stadt zieht, während sich darunter ein unablässiger Autokonvoi bis in die Vorortstraßen wälzt. Der Autor dieser Worte muss einen sehr eigenen Sinn für Humor haben, überlegten mein Sohn Timo und ich, als wir dies lasen. Verglichen mit Bangkok ist Berlin ein Wellnesskurort. Bangkok ist laut und stickig. Es gibt nur wenige Metrolinien und die Wege dauern sehr lang, denn Stau ist der Normalzustand, auch für Busse und Taxis. Als Fußgängerin fühlte ich mich wie ein gejagtes Reh, wenn ich versuchte die Straße zu überqueren. Eine grüne Fußgängerampel, von denen es eh nur sehr wenige gibt, bedeutet nicht, dass die Autos wirklich halten. Das Ampelmännchen schien eher so eine unverbindliche Empfehlung zu sein.

Unterwegs mit Taxi, Bus und Fluss!

Am Anfang wirkte alles unglaublich chaotisch. Nach ein paar Tagen und mit einem guten ÖPNV Plan fand ich allmählich meine Wege durch die Stadt. Mit Taxi, Bus, Bahn und Fluss entdeckten wir die Stadt. War ich mit den Kleinen in der Metro unterwegs, standen immer andere Fahrgäste auf, um den Kindern Platz zu machen. Das ist dort üblich und auch wirklich eine Erleichterung, wenn man mit Kindern unterwegs ist, die nach den langen Wegen abends müde sind. Allerdings haben wir so gut wie keine Kinder in Bangkok gesehen, während im übrigen Thailand die Kinder überall präsent sind. Auf jeder beliebigen Straße in Berlin sehe ich in einer Stunde mehr Kinder als in ganz Bangkok in einer Woche. Das war etwas unheimlich. Wir fragten uns, wo die ganzen Kinder sind, die sind in Thailand überall präsent sind.

In der Metro von Bangkok - reserviert für Mönche, Schwangere, Alte und Kinder
In der Metro von Bangkok – reserviert für Mönche, Schwangere, Alte und Kinder

Im Flussverkehr

Mit den Booten, die auf den Kanälen unterwegs sind, kommt man in Bangkok am schnellsten voran. Das ist wirklich eine sehr spezielle Art, in der Stadt voranzukommen. Muß man unbedingt mal mitmachen. Vor allem, wenn man mit Kindern reist.

 http://www.youtube.com/watch?v=9FUzMp0Ib8o

Endlich, endlich, ein Fahrrad….

Großstadtmoloch, dachte ich, wenn ich durch die Strassen von Bangkok ging. Wahnsinnig viel Autos, viel weniger Mopeds als noch in Koh Lanta oder Krabi und sehr, sehr wenige Fahrradfahrer. Vor allem junge stylische Männer sah ich auf dem Cross- oder Rennrad durch die Strassen fahren. Mehr Fahrräder würden die Lebensqualität in der Stadt sichtlich erhöhen, aber die Stadt ist so zugebaut, daß es ziemlich schwer wäre, da eine Fahrradinfrastruktur aufzubauen. Wir wollten trotzdem wieder gerne ein Rad mieten, unverzagt, wie wir waren. Doch in keinem der Fahrradläden, von denen es einige gab, konnte man eins mieten.

Sportgeräte im Lumpinipark
Im Lumpinipark konnten wir in Übung bleiben

Wir waren schon ziemlich frustriert, doch dann: durch Zufall entdeckten wir bei einem Spaziergang einen Mopedhändler, der auch ein paar gebrauchte Fahrräder vor der Werkstatt zu stehen hatte. Marko sprach den Besitzer der Werkstatt an. Der war ganz überrascht über unsere Frage nach einer Fahrradmiete. Darüber hatte er noch nie nachgedacht, es hat wohl auch noch nie jemand gefragt. Also ließ er sich von Marko erklären, wie das geht und was man als Miete nimmt. Sie kamen ins Geschaft und ein paar Stunden später konnte Marko ein Fahrrad für uns abholen. Jetzt waren wir in der Umgebung flexibler unterwegs. Vor allem Marko freute sich darüber und hatte gleich viel mehr Spaß an Bangkok. Ich liebte es, mit dem Rad nachmittags zu den Märkten der Umgebung zu fahren und viele Leckereien für unser Abendessen zu holen.

 

Marko: In der Hauptstadt Bangkok wird es wohl kein Problem sein, ein Fahrrad zu mieten, dachte ich….

… Doch denkste. In der Jugendherberge in Stadtrandlage angekommen, fuhren wir die ersten Tage erst mal mit dem Taxi in die City, um die Lage zu checken. Mir fiel gleich auf, dass es im Gegensatz zu den kleineren Städten hier mehr Autos als Motorroller gab und so gut wie keine Fahrräder. Auch kein Wunder, wenn zwischen den Autos, die auf den großen Straßen fast ständig im Stau standen, so wenig Platz blieb, dass weder Roller noch Fahrräder durchkamen. Man braucht nicht selten eine Stunde in die Innenstadt für eine kurze Strecke von nur 10km, und das in einem engen stickigen Taxi. Und Laufen ist keine Alternative, sind die Bürgersteige doch oft so schmal und verbaut, dass der Fußweg manchmal zu einer Art Hindernislauf verkommt, dazu die schlechte Luft und der ständige Lärm. Kein Vergnügen. Doch die Thailänder scheinen das gelassen zu nehmen und stehen geduldig im Stau.

 

Der Umstieg auf mehr Fahrrad- und Rollerwege, der einen Ausweg aus dem Dilemma weisen könnte und zweifellos die Lebensqualität in der Stadt erhöhen würde, wird politisch wohl eher als Rückschritt gewertet, es scheint dafür zu spät. Dann kommen am Ende, wenn es kaum noch auszuhalten ist, Lösungen, die keine sind wie Fahrverbote für Autos mit geraden oder ungeraden Kennzeichen an bestimmten Tagen und so weiter, wie wir es von anderen Städten kennen. Eigentlich schade.

Für Fahrräder gab's mal bessere Zeiten in Bangkok
Für Fahrräder gab’s mal bessere Zeiten in Bangkok

Meine Hartnäckigkeit wurde belohnt!

Doch zurück zu unserem Fahrradproblem. Egal, in welchem Fahrradladen wir auch fragten, Fahrradmiete war nicht. Es gab zwar wirklich schöne gebrauchte Fahrräder für umgerechnet 170 Euro zu kaufen, aber für die kurze Zeit lohnte der Kauf nicht, außer wir hätten es eingeplant und das Rad mitgenommen. Aber was mich besonders erstaunte, war, dass es nicht einmal Motorroller zu mieten gab, die man doch sonst überall bekam. Anscheinend hatten die Thailänder in Bangkok schlechte Erfahrungen mit Touristen gemacht. Wir waren also völlig auf Taxi, Busse oder U- Bahn angewiesen.

Das war erst mal ein Schock, einfach unglaublich. Doch damit wollte ich mich nicht abfinden. Hartnäckig forschte und fragte ich, bis ich endlich drei Tage vor dem Abflug einen Motorradhändler fand, dessen Frau auch einige gute Gebrauchträder zum Verkauf anbot. Auf die Frage, ob er uns nicht ein Rad vermieten könne, reagierte er zunächst einmal völlig überrascht. Anscheinend hatte ihn das noch niemand gefragt. Was man denn dafür verlangen könne, fragte er. Ich erklärte ihm, wie das funktionierte und da er offen war, kamen wir ins Geschäft. Die Miete kostete dann zwar rund doppelt so viel, wie in den kleineren Orten bisher, also 20 Euro für drei Tage, dafür bekam ich aber auch ein leichtes Damenrad mit Korb und allem drum und dran, das ich am liebsten mit nach Deutschland zurück genommen hätte. Und er war sogar bereit, später das Fahrrad in unserer Jugendherberge abzuholen. Nachdem er meinen Ausweis kopiert hatte und ich eine Kaution von 35 Euro gezahlt hatte, konnte ich das Rad dann mitnehmen. Das war eine Freude. Ich konnte es kaum fassen, endlich unabhängig zu sein.

Was ich mit dem Fahrrad alles entdeckt habe.

Oldtimer in Bangkok
Oldtimer in Bangkok

Schon am Abend machte ich mich daran, die Umgebung zu erkunden. Ich entdeckte einen BMW- Oldtimer- Laden, der die schönsten BMW- Oldtimer aus den 50igern im Angebot hatte, fand ein Geschäft, das sich auf VW- Oldtimer aus den 40igern spezialisiert hatte und einen Platz, auf dem hinter einem schlichten LKW- Planenzaun unbewacht die schönsten antiken amerikanischen Straßenkreuzer standen nebst knallroten 50iger Jahre Tanksäulen und emaillierten Coca- Cola- Schildern. Zwanzig Meter daneben uralte Fahrräder aus den 30igern schön nebeneinander aufgereiht und die ersten Fahrräder der Geschichte mit Benzin- Hilfsmotor. Als ich dann ein paar Straßen weiter auch noch die beste Pizzeria weit und breit entdeckte und leckere, knusprige Pizza mitbrachte, war das Glück perfekt. Endlich einmal was anderes als Reis oder Nudeln. Die Fahrt zur 3km weit entfernten Pizzeria wurde von meinen Kindern regelmäßig bejubelt. In Bankok ohne Fahrrad, das wollte ich nie wieder sein und ich bedauerte es sehr, nicht früher ein Rad gehabt zu haben, denn es gab hier so viel zu entdecken. Auch Julika und Dagmar liehen sich das Rad aus und genossen die Fahrt. Die Autofahrer fahren sehr moderat und halten entgegen unser Befürchtung wirklich Abstand.

Es ist schon ein Unterschied, ob eingekesselt in einem Taxi die Läden nur so an einem vorüber schießen, oder ob man nach Belieben hier und da anhalten kann, ohne sich Gedanken über einen Parkplatz oder die Kosten des Taxis machen zu müssen. Auf dem Rad vergingen die letzten Tage in Bankok wie im Flug.

 

Fahrräder mitnehmen oder mieten?

Fazit: Nicht an jedem Ort in Thailand kann man unproblematisch Fahrräder mieten. Auch an die Qualität der Mieträder darf man keine hohen Ansprüche stellen. Aber es macht wahnsinnig viel Spaß, in Thailand mit dem Rad unterwegs zu sein.

In Koh Lanta, einer Insel mit guter touristischer Infrastruktur, kann man Räder für 2 bis 3 Euro am Tag mieten. Bei länger Mitdauer wird es günstiger. Auf kleineren Inseln wird es mit der Fahrradmiete schwieriger bis unmöglich.

Wenn man überall immer in Thailand Fahrrad fahren will, bleibt einem nichts anderes übrig, als sich eins von zu Hause mitzunehmen, oder man kauft sich eins, will man nicht den örtlichen Gegebenheiten ausgeliefert sein. Für ca 200 € sind einfache Damenräder zu bekommen. Bleibt man fest an einem Ort, kann der Kauf Sinn machen, reist man aber umher, wird die Mitnahme des Rades wegen der Schiffsfahrten übers Meer sicherlich schwieriger, noch dazu, wenn man kleine Kinder und eine Menge Gepäck dabei hat. Hatten wir aber ein Fahrrad zur Verfügung, erleichterte es uns den Alltag sehr. Wir haben jedenfalls daraus gelernt: Das nächste Mal werden wir uns wahrscheinlich ein Faltrad mitnehmen, dann entfällt die lästige Sucherei und die Ungewissheit. Das können wir jedem nur empfehlen.

Hier geht es zu unserem Bericht über unsere Erfahrungen in der Region Krabi in Südthailand:

Ein Bericht über ein Fahrradverleihsystem in Bangkok:

http://www.reiseberichte.bplaced.net/thailand/green-bangkok-bike-bangkok-thailand.html

Hier kann man geführte Fahrradtouren in Bangkok buchen:

http://bangkokbiking.com/bangkok/

Hier kann man in Bangkok Fahrräder mieten. Ist ziemlich zentral Nähe Khao San Road:

http://www.velothailand.com/rental/

Meine Erfahrungen mit dem Rad in Thailand

 

Diktat der Geschwindigkeit – und was ich dagegen tun kann!

Diktat der Geschwindigkeit – und was ich dagegen tun kann!

Risiko durch Geschwindigkeit

Gerade wird viel über selbstfahrende Autos geredet. Die Software der Autos muss in Gefahrensituationen mit tödlichem Ausgang zwischen zwei Möglichkeiten eine auswählen. In einer Simulation muss das Auto einem Fußgänger ausweichen und dabei einen anderen überfahren. Wem weicht es aus, wer wird überfahren? Moral kennt ein Computer nicht, so argumentieren die Entwickler, also müssen die Menschen im Vorfeld die Entscheidungen fällen, die das selbstfahrende Auto dann wählt. In den Medien wird über die Moral dieser Entscheidungen diskutiert. Darf man ein Leben gegen das andere abwägen? Ist das junge Paar schützenswerter als drei ältere Menschen? Das Kind oder der Erwachsene? Seltsame Fragen!

Dabei gibt es bei der ganzen Diskussion einen Denkfehler. Es ist derselbe, der schon lange den Verkehr in Deutschland beherrscht. Es ist die Mär vom fließenden Verkehr, der sich alles unterzuordnen hat und für die man bereit ist, Todesopfer in Kauf zu nehmen. Auch „erlaubtes Risiko“ genannt. Eine Situation wie die oben beschriebene kann jedoch nur entstehen, wenn ich trotz enger Straße und schlechter Sicht so schnell fahre, dass ich nicht mehr rechtzeitig reagieren kann, wenn z.B. ein Kind auf die Straße rennt. Drossel ich jedoch rechtzeitig das Tempo, wenn eine Strasse schlecht zu überschauen ist, werde ich sehr viele Gefahrensituationen im Vorfeld abwenden.

Sand im Getriebe

Doch der fließende Verkehr hat Vorrang vor der Sicherheit und so nimmt man viele Tote und noch viel mehr Verletze in Kauf. Da muss es einen Paradigmenwechsel geben, der sich an den Schwächsten und Verletzlichsten der Gesellschaft orientiert. Das Diktat der Geschwindigkeit beschränkt sich nicht auf den Autoverkehr und auf ein Verkehrsmittel. Ich werde nicht durch die Wahl des Verkehrsmittels zu einem besseren Menschen. Manche Fahrradfahrer rauschen mit Affenzahn an älteren Leuten vorbei, an der Supermarktkasse stöhnen die Wartenden, wenn es nicht fix genügt geht, weil der Kunde vor ihnen noch im Portemonnaie kramt und Eltern rufen allerorts zu ihren Kindern: „Nun komm endlich, ich will nach Hause!“ Der andere Mensch wird zum Störfaktor im reibungslosen Ablauf, zum Sand im Getriebe.

Nimm Dir Zeit und nicht Dein Leben….

Doch was passiert mit all der ersparten Lebenszeit? Früher sterben, weil man früher fertig ist? Das ist sicher nicht das, was Menschen sich wünschen, wenn sie sich durch den Tag jagen. Die meisten wünschen sich, endlich Zeit zum Leben zu haben und hetzen sich deshalb so ab. Sie vergessen, dass immer Zeit zum Leben ist. Leben ist der Plausch an der Supermarktkasse, Leben ist das Gänseblümchen am Straßenrand, was das kleine Kind die Zeit vergessen lässt, Leben ist auch ein Stau auf der Autobahn, der manchmal echt lustig werden kann, wenn ich Kontakt zu den Mitstauenden aufnehme.

Das, was gerade hier und jetzt passiert, das ist meine Zeit. Die Zeit kann auch nie langsamer oder schneller vergehen, sie ist immer gleich. Was ich mit der Zeit mache, liegt an mir. Es liegt an jedem einzelnen von uns, aus der Geschwindigkeitsspirale auszusteigen. Das geschieht, indem ich eine Situation, so wie sie gerade ist, annehme. Ja, gerade ist eine lange Schlange im Supermarkt. Wer steht eigentlich mit mir an? Gute Gelegenheit für einen kleinen Plausch, der die ganze Runde auflockert. Ja, gerade stehe ich im Stau. Gute Zeit, um mal wieder laut zu singen. Ja, mein Kind schaut sich gerade die Ameisen auf dem Gehweg an. Wie winzig sie sind und schaffen es doch, die Gehwegplatten zu unterhöhlen. „Waso machen die das?“ fragt meine kleine Tochter.

Wir gewinnen soviel dabei, wenn wir das, was uns scheinbar von unserem Ziel abhält, zulassen. Mehr Begegnungen, mehr Lebendigkeit und auch mehr Sicherheit, denn wir laufen nicht in Gefahr, aus Eile etwas Gefährliches zu übersehen. Und so steigt auch unsere Lebensqualität und Zufriedenheit.

Dagmar Gericke

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Im Leben kommt es immer wieder zu erstaunlichen Begegnungen!

Zum Weiterlesen:

http://www.verkehrhuman.de/

http://www.newslichter.de/2013/06/entschleunigung-der-mensch-ist-fur-tempo-30-gemacht/

http://www.verkehrswissenschaftler.de/berichte/bericht_2.htm

Initiative für Tempo 30

Dagmar

Dagmar

Dagmar: Fahrradfahren ist Freiheit…

…einfach losfahren, ohne mir Gedanken machen zu müssen über Abfahrtzeiten, Stau, Tank oder Parkplätze. Fahrradfahren ist einfach unglaublich unkompliziert. Das ist es, was ich am Fahrradfahren so liebe. Noch dazu lieben meine Kinder Fahrradfahren ebenso sehr wie ich, viel mehr als angeschnallt im Auto zu sitzen, lassen sie sich gerne den Wind um die kleinen Nasen wehen. So sind sie erst im Bauch mit mir unterwegs, dann in der Trage auf dem Rücken, sitzen bald darauf im Kindersitz vor oder hinter mir, bis sie schließlich selber fahren. Wenn dann die ersten gemeinsamen Fahrradtouren folgen, ist unser Fahrradglück vollkommen. So haben wir schon einige Länder via Rad erkundet. Aber auch die Umgebung von Berlin verlockt mit schönen Touren, um besonders bei schönem Wetter zusammen Fahrrad zu fahren

Die Fahrradfamilie

Und das tun wir als Familie viel und gerne. Ich bin Mutter von 4 Kindern und mit Marko verheiratet. Wir arbeiten im Fahrradladen zusammen, bilden uns aber auch im Bereich Gewaltfreie Kommunikation weiter, was ich mindestens ebenso wichtig wie Fahrradfahren finde. Außerdem bin ich Theaterpädagogin und arbeite leidenschaftlich gerne in meinem Garten, um uns mit Zucchini und Tomaten zu versorgen.

Ich freue mich, wenn ich mit einer Kundin oder einem Kunden ein Fahrrad für sie finden kann, mit dem sie glücklich sind. Das ist für den einen ein ultracooles Rennrad, für einen anderen eine gemütliche Familienkutsche. Denn nur ein Rad, mit dem man sich wohlfühlt, wird ein Rad, mit dem man viel fährt. Deswegen ist mein Tipp an Menschen, die ein Fahrrad suchen; Suche Dir ein Rad aus, was Dich glücklich macht, bei dem Du Dich jedes Mal freust, wenn Du mit ihm fährst. Das ist viel wichtiger als eine rationale Entscheidung über das vermeintlich richtige Rad.