Was ist eigentlich so geil am Radfahren?
Erinnert Ihr Euch noch an eure ersten Wege mit dem Rad? Wie habt Ihr Radfahren gelernt? Und was bedeutet Radfahren für Euch? Marko erklärt hier, warum Radfahren Freiheit in sein Leben gebracht hat und was diese Freiheit bedroht. Hier ist sein Beitrag:
Was ist eigentlich so geil am Radfahren?
Zuerst einmal das Gefühl….
Ich weiß noch, wie ich als Kind Radfahren lernte. Ständig vergaß ich zu treten, wurde zu langsam, schlingerte und drohte zur Seite zu kippen. Mein Vater lief hinter mir her und schrie unablässig: Treten! Treten! Treten! Dabei stieß er mir mit der Faust in den Rücken. Ich war in Tränen aufgelöst. Es war ein Alptraum.
Doch als ich es konnte, war es unglaublich. Wie leicht das ging! Und das Gefühl war so was von geil! Ich fühlte mich wie der Größte. Plötzlich boten sich mir völlig neue Möglichkeiten, mein Erfahrungshorizont weitete sich immens. Ich konnte einfach mal runter zum Kastanienbaum fahren, Kastanien runter werfen, und danach ganz schnell wieder nach Hause. Oder meine Freunde im Nachbardorf besuchen, ganz unabhängig von meinen Eltern. Und das mit geringem Kraftaufwand. Es war einfach irre, nach mühsamer Bergauffahrt die Berge hinunter zu rauschen, so schnell, dass es mir die Tränen in die Augen trieb und die Haare nur so flogen. Doch schon bald war es ganz normal.
Das Rad, ein Alltagsgegenstand.
Heute ist das Radfahren für uns selbstverständlich geworden. Wir erledigen so unsere Einkäufe, packen zwei Kindersitze drauf, um unsere Kinder zum Kinderladen zu bringen, schnappen uns ein Rennrad, um schnell mal ein paar Runden zu drehen, nehmen das Mountainbike und den Hund, um zusammen eine Prise Waldluft zu schnappen.
Nichts Besonderes dabei.
Das Besondere am Radfahren – die geniale Leichtigkeit.
Dabei ist das Geniale, dass es so einfach ist. Diese Leichtigkeit, die uns gar nicht mehr bewusst wird, ist das Besondere am Radfahren. Wir nehmen das Rad, das an der Hauswand lehnt, schwingen ein Bein über den Sattel und los geht’s. Ist das nicht irre?
Mir wurde das erst wieder bewusst, als ich eine Kundin aus den Staaten im Laden hatte, die ein Rad mieten wollte. Misstrauisch fragte sie: „Und das stimmt, dass man hier keinen Helm tragen muss?“ „Ja“, sagte ich. „Das Tragen eines Helmes ist jedem selbst überlassen.“ „Wie wunderbar“, strahlte die Frau mittleren Alters. Sie blühte völlig auf. „Das ist ja ein herrliches Gefühl, einfach losfahren zu können! Bei uns würde das nicht gehen.“
Diese Verwandlung zu sehen, wie aus der skeptischen Frau eine Leidenschaft und eine Freude hervor brach, die man erst gar nicht vermutet hätte, wegen so einer kleinen Sache, die man sonst vielleicht eher als Lappalie abgetan hätte, öffnete mir die Augen. Hier in Berlin ohne Helm Rad fahren zu können, ohne fürchten zu müssen, jeden Augenblick von der Polizei rausgewunken und zur Kasse gebeten zu werden, das war für sie ein Höhepunkt ihres Berlin- Besuchs. Mit welch kleinen Dingen man doch Menschen erfreuen kann. In diesem Moment wurde mir bewusst, was es bedeutet, wenn Menschen im Zusammenhang mit dem Radfahren von Freiheit sprechen.
Was hat Radfahren mit Freiheit zu tun?
Wenn man, um Rad zu fahren, erst einen Helm suchen muss, diesen aufsetzen, zurechtzupfen und den Verschluss schließen muss, das alles vielleicht bei 28 Grad und Sonnenschein, dann noch Helme für die Kinder, dazu vielleicht noch eine grellgelbe sogenannte Sicherheits- Weste mit silbernen Reflektorstreifen und der Aufschrift auf dem Rücken: Autofahrer, 1,5 m Seitenabstand halten, hervorkramen muss, dann geht ein Stück Leichtigkeit verloren.
Noch dazu muss man am Rad auch tagsüber Frontreflektor, Heckreflektor, Seitenreflektoren, Pedalreflektoren, Lampe vorn, Rücklichtlampe, Dynamomaschine und wer weiß, in der Zukunft vielleicht noch Rückenpanzer, Ellenbogen- und Knieschützer, Front- und Seitenairbags mitführen. Irgendwann vielleicht das Schweizer Nummernschild mit Versicherungspolice, die ja nur ca. umgerechnet 9 Euro im Jahr kostet, wie die Schweizer begeistert kundtun, auch wenn sie das einzige Land der Welt sind, die das den Radlern aufbürden.
Und schlussendlich muss man noch 2 schwere Schlösser ans Rad montieren, um nicht plötzlich ohne Rad dazustehen. Und so geht irgendwann die Leichtigkeit verloren und immer weniger Leute fahren mit Freude Rad. So wie jetzt schon kaum noch Kinder ihre Alltagswege mit dem Rad zurücklegen. Aber Ordnung muss sein. Wo kämen wir denn hin, Ordnung und Sicherheit, die höchsten Tugenden in unserm Land.
Wann kommt die Helmpflicht für Fussgänger?
Da frage ich mich natürlich, warum tragen denn die Autofahrer keinen Helm, wo doch die häufigsten Verletzungen von Autofahrern Kopfverletzungen sind? Und wann kommt eigentlich die Helmpflicht für Fußgänger, die Treppen und Leitern hinunter stürzen könnten. Vielleicht sollte man Gebrechlichen und Alten am Besten das Gehen verbieten, um sie vor sich selbst in Sicherheit zu bringen? Und Kindern, die laufen lernen, und sich ständig den Kopf am Tisch stoßen, einen Vollvisierhelm verpassen.
Anstatt die Ursachen für Unfälle anzugehen, wird hauptsächlich an den Symptomen, an den Folgen herumgedoktert, und möglichen Gefährdungspotentialen durch eine Verbieten- Kultur begegnet. Demjenigen, der von sich aus keinen bedroht, wird die Pflicht auferlegt, sich immer mehr zu schützen. Aber nicht als freie Entscheidung.
Das Traurige an der Geschichte ist, dass dadurch die Freiheit der Menschen immer weiter eingeschränkt wird unter der Devise, aus Sicherheitsgründen geschlossen. Der schleichende Tod der Freiheit.
Deshalb brauchen wir Alternativen, Menschen, die sich nicht einschüchtern lassen, Menschen, die für die Freiheit eintreten. Denn zuerst stirbt die Freiheit, dann der Mensch. Marko Teubert
…Alle, die von Freiheit träumen,
Sollen’s Feiern nicht versäumen,
sollen tanzen auch auf Gräbern.
Freiheit, Freiheit,
Ist das einzige, was zählt.
Freiheit, Freiheit,
Ist das einzige, was zählt.
Marius Müller-Westerhagen